Rechtsprechung
OLG Celle, 09.01.2024 - 6 W 175/23 |
Volltextveröffentlichung
- Entscheidungsdatenbank Niedersachsen
BGB § 138
Umstandssittenwidrigkeit; Sittenwidrigkeit eines notariellen Testaments zugunsten der Berufsbetreuerin
Kurzfassungen/Presse (9)
- Rechtslupe (Kurzinformation/Zusammenfassung)
Das Testament zugunsten der Berufsbetreuerin
- Rechtslupe (Kurzinformation/Zusammenfassung)
Das Testament zugunsten der eigenen Berufsbetreuerin
- anwaltonline.com (Kurzinformation)
Sittenwidrigkeit eines Testaments zugunsten einer Berufsbetreuerin
- tp-presseagentur.de (Kurzinformation)
Sittenwidrigkeit eines Testaments zugunsten einer Berufsbetreuerin
- anwalt.de (Kurzinformation)
Sittenwidriges Testament durch Beeinflussung?
- anwalt.de (Kurzinformation)
Sittenwidrigkeit eines Testaments
- anwalt.de (Kurzinformation)
Notarielles Testament wegen Sittenwidrigkeit nichtig
- anwalt.de (Kurzinformation)
Unwirksamkeit eines Testaments zu Gunsten einer Berufsbetreuuerin
- kostenlose-urteile.de (Kurzmitteilung)
Sittenwidrigkeit eines notariellen Testamentes zugunsten der Berufsbetreuerin - Testierung einer 92-jährigen, kranken Frau unmittelbar nach Tod ihrer Tochter und Einrichtung der Betreuung
Verfahrensgang
- AG Hannover, 10.10.2023 - 51 VI 620/23
- OLG Celle, 09.01.2024 - 6 W 175/23
Papierfundstellen
- NJW-RR 2024, 278
- MDR 2024, 379
- FGPrax 2024, 68
Wird zitiert von ... (0) Neu Zitiert selbst (18)
- OLG Celle, 07.01.2021 - 6 U 22/20
Wirksamkeit eines zugunsten der gerichtlich eingesetzten Berufsbetreuerin und …
Auszug aus OLG Celle, 09.01.2024 - 6 W 175/23
Der Senat hält an seiner Rechtsprechung (6 U 22/20, Urteil vom 7. Januar 2021) fest, dass ein (notarielles) Testament sittenwidrig sein kann, wenn eine Berufsbetreuerin ihre gerichtlich verliehene Stellung und ihren Einfluss auf einen älteren, kranken und alleinstehenden Erblasser dazu benutzt, gezielt auf den leicht beeinflussbaren Erblasser einzuwirken und ihn dazu zu bewegen, vor einem von ihr herangezogenen Notar in ihrem Sinne letztwillig zu verfügen (hier: 92-jährige, kranke Erblasserin, nach dem unmittelbar vor Einrichtung der Betreuung eingetretenen Tod ihrer Tochter ohne Angehörige, testiert vor einem von der Betreuerin beauftragten Notar zwei Wochen nach Einrichtung der Betreuung zugunsten der Betreuerin).Zwar hat der Senat in seinem Urteil vom 7. Januar 2021 (6 U 22/20) vor Erörterung und Bejahung der Sittenwidrigkeit auch die Testierunfähigkeit des Erblassers bejaht.
a) In seinem - rechtskräftigen - Urteil vom 7. Januar 2021 in 6 U 22/20 hat der Senat die Auffassung vertreten, dass ungeachtet der nach wie vor fehlenden Wertung des Gesetzgebers, dass Zuwendungen des Betreuten an den Betreuer als sittenwidrig anzusehen sind, ein notarielles Testament zugunsten einer Berufsbetreuerin sittenwidrig sein kann, wenn eine Berufsbetreuerin ihre gerichtlich verliehene Stellung und ihren Einfluss auf einen älteren, kranken und alleinstehenden Erblasser dazu benutzt, gezielt auf den leicht beeinflussbaren Erblasser einzuwirken und ihn dazu zu bewegen, vor einer von ihr herangezogenen Notarin in ihrem Sinne letztwillig zu verfügen.
aa) Reichenberg verkennt in seiner Anmerkung (NJW 2021, 1686 [OLG Celle 07.01.2021 - 6 U 22/20] ), von der Fragwürdigkeit der Bedeutung seines "Rechtsgefühls" ganz abgesehen, dass der von ihm gewählte Obersatz, die Verfügung des Erblassers selbst müsse sittenwidrig sein, zu kurz greift.
- BVerfG, 03.07.1998 - 1 BvR 434/98
Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Verbot der Errichtung eines …
Auszug aus OLG Celle, 09.01.2024 - 6 W 175/23
Die Vorschrift schützt aber nicht vor der Entstehung psychischer Zwangslagen (s. a. BVerfG, 1 BvR 434/98, Beschluss vom 3. Juli 1998, juris).Dabei können auch Testierverbote Ausdruck der Testierfreiheit sein (BVerfG, 1 BvR 434/98, Beschluss vom 3. Juli 1998 zu § 14 HeimG : "Die [verfassungsgemäße] Vorschrift soll alte Menschen davor bewahren, dass ihr Recht auf freie Verfügung von Todes wegen durch offenen oder versteckten Druck faktisch gefährdet wird.").
Geschützt werden muss die "faktische Testierfreiheit" (BVerfG, 1 BvR 434/98, Beschluss vom 3. Juli 1998, juris).
- BGH, 20.10.1993 - IV ZR 231/92
Erbeinsetzung eines auf Kosten der Sozialhilfe untergebrachten Kindes
Auszug aus OLG Celle, 09.01.2024 - 6 W 175/23
cc) Mit dem Hinweis der Beschwerde darauf, dass die Sittenwidrigkeit letztwilliger Verfügungen nur in besonderen Ausnahmefällen angenommen werden könne (so auch Centner, ZEV 2021, 392, unter Verweis auf BGH, IV ZR 231/92, wo sich diese Begrifflichkeit allerdings nicht findet), ist für die praktische Rechtsanwendung wenig geholfen.In BGH, IV ZR 231/92, ging es um die Frage der Sittenwidrigkeit von Behindertentestamenten.
- BVerfG, 22.03.2004 - 1 BvR 2248/01
Ebenbürtigkeitsklausel und Eheschließungsfreiheit
Auszug aus OLG Celle, 09.01.2024 - 6 W 175/23
Die Testierfreiheit schützt das Recht des Erblassers, die Erbfolge selbst durch Verfügung von Todes wegen weitgehend nach seinen persönlichen Wünschen und Vorstellungen zu regeln (BVerfG, 1 BvR 2248/01, Beschluss vom 22. März 2004, juris).Diese Grundsätze finden Anwendung auch im Erbrecht (1 BvR 2248/01, Beschluss vom 22. März 2004, juris: "Hohenzollern": die "Ebenbürtigkeitsklausel" darf keinen unzumutbaren Druck bei Eingehung einer Ehe erzeugen).
- OLG München, 25.09.2023 - 33 Wx 38/23
Zur Auslegung eines Testaments, das als Erben denjenigen bestimmt, der den …
Auszug aus OLG Celle, 09.01.2024 - 6 W 175/23
ff) Bestätigt sieht sich der Senat (mit Leipold, ZEV 2023, 824) durch ein neueres Urteil des BGH vom 15. November 2022 (X ZR 40/20) .Diese Überlegungen lassen sich ohne weiteres auch auf die Beurteilung von Zuwendungen durch letztwillige Verfügung übertragen, zu denen der Anstoß vom Zuwendungsempfänger (also dem Berufsbetreuer) unter Ausnutzung der Situation des Erblassers ausging (so auch Leipold, ZEV 2023, 824).
- BayObLG, 18.12.1997 - 1Z BR 73/97
Einflußnahme des Betreuers bei Erbeinsetzung
Auszug aus OLG Celle, 09.01.2024 - 6 W 175/23
Die Möglichkeit der Sittenwidrigkeit eines Testaments im Sinne einer Umstandssittenwidrigkeit findet sich bereits in der Entscheidung des BayObLG vom 18. Dezember 1997 in 1 Z BR 73/97.Der bereits erwähnte Beschluss des BayObLG vom 18. Dezember 1997 in 1 Z BR 73/97 hat die Sittenwidrigkeit einer letztwilligen Verfügung verneint, allerdings für einen Sachverhalt, der unter anderem dadurch gekennzeichnet war, dass zwischen der Erblasserin und dem Betreuer eine langdauernde Lebensgemeinschaft bestanden hatte und der Betreuer auf den ausdrücklichen Wunsch der Erblasserin zu ihrem Betreuer bestellt worden war, weil er schon bisher ihre Angelegenheiten in vermögensrechtlichen Fragen für sie erledigt hatte und sie ihm vertraute.
- BVerfG, 15.01.1958 - 1 BvR 400/51
Lüth - Boykottaufruf, mittelbare Drittwirkung der Grundrechte
Auszug aus OLG Celle, 09.01.2024 - 6 W 175/23
Formalismus verbietet sich anerkanntermaßen im Hinblick darauf, dass sich in den Grundrechtsbestimmungen des Grundgesetzes eine objektive Wertordnung verkörpert, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt und der vor allem auch bei der Interpretation zivilrechtlicher Generalklauseln maßgebliche Bedeutung zukommt; indem solche Generalklauseln wie § 138 BGB ganz allgemein etwa auf die guten Sitten verweisen, verlangen sie von den Gerichten eine Konkretisierung am Maßstab von Wertvorstellungen, die in erster Linie von den Grundsatzentscheidungen der Verfassung bestimmt werden (st. Rspr. seit BVerfGE 7, 198 ff. [BVerfG 15.01.1958 - 1 BvR 400/51] : "Lüth"). - BVerfG, 19.10.1993 - 1 BvR 567/89
Bürgschaftsverträge
Auszug aus OLG Celle, 09.01.2024 - 6 W 175/23
Bedeutung entfaltet diese Rechtsprechung etwa bei der Inhaltskontrolle von Bürgschaften naher, aber einkommens- und vermögensloser Angehöriger (BVerfGE 89, 215 ff. [BVerfG 19.10.1993 - 1 BvR 567/89] ); das BVerfG sah in der bewusst unterlassenen Inhaltskontrolle durch den BGH eine Verkennung der grundrechtlich gewährleisteten Privatautonomie. - BVerfG, 14.02.1973 - 1 BvR 112/65
Soraya
Auszug aus OLG Celle, 09.01.2024 - 6 W 175/23
Dabei gibt es keinen Grund, die Rechtsprechung zur objektiven Wertordnung der Grundrechte auf Verträge zu begrenzen (1 BvR 112/65, Beschluss vom 14. Februar 1973, juris: "Soraya"). - BGH, 24.07.2018 - 3 StR 132/18
Untreue durch den gesetzlichen Betreuer (kein Vermögensschaden durch Veranlassung …
Auszug aus OLG Celle, 09.01.2024 - 6 W 175/23
Eine noch weitergehende Aufklärung dazu, wie sich die Einwirkung der Beteiligten zu 1 auf die Erblasserin im Einzelnen gestaltete, hält der Senat nicht für erforderlich (selbst im Strafverfahren wäre dies nicht erforderlich, vgl. BGH, 3 StR 132/18, Beschluss vom 24. Juli 2018, Rn. 20 bei juris). - BVerfG, 19.01.1999 - 1 BvR 2161/94
Testierausschluß Taubstummer
- OLG Frankfurt, 21.12.2023 - 21 W 91/23
Keine Nichtigkeit eines Testaments zugunsten eines behandelnden Arztes
- BGH, 31.03.1970 - III ZB 23/68
Zulässigkeit der Beschwerde gegen eine Entscheidung der Oberlandesgerichte im FGG …
- BGH, 15.11.2022 - X ZR 40/20
Annahme der Sittenwidrigkeit bei einer Schenkung
- OLG Nürnberg, 19.07.2023 - 15 Wx 988/23
Wirksamkeit der testamentarischen Einsetzung des Berufsbetreuers zum Alleinerben
- BGH, 07.01.1993 - IX ZR 199/91
Haftung eines Notars wegen unterlassener Belehrung über Sittenwidrigkeit einer …
- BGH, 19.12.1989 - IVb ZR 91/88
Zahlung einer Abfindungssumme für den Fall der Einreichung des Scheidungsantrages
- BGH, 04.07.1990 - IV ZR 121/89
Unklare Urteilsbegründung hinsichtlich Nichtigkeit eines Darlehensvertrages und …