Abgabenordnung
Achter Teil - Straf- und Bußgeldvorschriften, Straf- und Bußgeldverfahren (§§ 369 - 412) |
Erster Abschnitt - Strafvorschriften (§§ 369 - 376) |
(1) 1Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft. 2Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen.
(2) 1Straffreiheit tritt nicht ein, wenn
1. | bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung | ||
a) | dem an der Tat Beteiligten, seinem Vertreter, dem Begünstigten im Sinne des § 370 Absatz 1 oder dessen Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung, oder | ||
b) | dem an der Tat Beteiligten oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder | ||
c) | ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung, oder | ||
d) | ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder | ||
e) | ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b des Umsatzsteuergesetzes, einer Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g des Einkommensteuergesetzes oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist und sich ausgewiesen hat oder | ||
2. | eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, | ||
3. | die nach § 370 Absatz 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 25 000 Euro je Tat übersteigt, oder | ||
4. | ein in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 bis 6 genannter besonders schwerer Fall vorliegt. |
2Der Ausschluss der Straffreiheit nach Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c hindert nicht die Abgabe einer Berichtigung nach Absatz 1 für die nicht unter Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und c fallenden Steuerstraftaten einer Steuerart.
(2a) 1Soweit die Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen und richtigen Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung begangen worden ist, tritt Straffreiheit abweichend von den Absätzen 1 und 2 Satz 1 Nummer 3 bei Selbstanzeigen in dem Umfang ein, in dem der Täter gegenüber der zuständigen Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt. 2Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 gilt nicht, wenn die Entdeckung der Tat darauf beruht, dass eine Umsatzsteuervoranmeldung oder Lohnsteueranmeldung nachgeholt oder berichtigt wurde. 3Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Steueranmeldungen, die sich auf das Kalenderjahr beziehen. 4Für die Vollständigkeit der Selbstanzeige hinsichtlich einer auf das Kalenderjahr bezogenen Steueranmeldung ist die Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung der Voranmeldungen, die dem Kalenderjahr nachfolgende Zeiträume betreffen, nicht erforderlich.
(3) 1Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, die Hinterziehungszinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Absatz 4 angerechnet werden, sowie die Verzugszinsen nach Artikel 114 des Zollkodex der Union innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. 2In den Fällen des Absatzes 2a Satz 1 gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die fristgerechte Entrichtung von Zinsen nach § 233a oder § 235 unerheblich ist.
(4) 1Wird die in § 153 vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsmäßig erstattet, so wird ein Dritter, der die in § 153 bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt, es sei denn, dass ihm oder seinem Vertreter vorher die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. 2Hat der Dritte zum eigenen Vorteil gehandelt, so gilt Absatz 3 entsprechend.
Fassung aufgrund des Jahressteuergesetzes 2022 vom 16.12.2022
Inkrafttreten | Änderungsgesetz | Ausfertigung | Fundstelle |
---|---|---|---|
21.12.2022 | Jahressteuergesetz 2022 | 16.12.2022 | |
25.06.2017 | Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz) | 23.06.2017 | |
01.01.2015 | Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung | 22.12.2014 | |
03.05.2011 | Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Geldwäsche und Steuerhinterziehung (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz) | 28.04.2011 |
Rechtsprechung zu § 371 AO
432 Entscheidungen zu § 371 AO in unserer Datenbank:
- KG, 24.11.2016 - 121 Ss 169/16
Steuerhinterziehung: Strafbefreiung bei Nachholung der Steuererklärung durch ...
- FG Hamburg, 26.02.2020 - 5 K 95/17
Festsetzungsfristen im Falle von Nacherklärungen durch die Erben
- BGH, 20.05.2010 - 1 StR 577/09
Gesetzlichkeitsprinzip (Analogieverbot; Verbot der teleologischen Reduktion eines ...
Zum selben Verfahren:
- BGH, 28.06.2010 - 1 StR 577/09
Berichtigungsbeschluss; strafbefreiende Selbstanzeige
- BGH, 28.06.2010 - 1 StR 577/09
- BGH, 09.05.2017 - 1 StR 265/16
Steuerhinterziehung durch Unterlassen (Garantenstellung aus Ingerenz: Begrenzung ...
- BGH, 25.07.2011 - 1 StR 631/10
Anwesenheit in der Hauptverhandlung (Eigenmächtigkeit des Entfernens im Sinne bei ...
- BGH, 22.03.2023 - 1 StR 440/22
Steuerhinterziehung durch Unterlassen (Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung: ...
- BGH, 25.07.2019 - 1 StR 556/18
Umsatzsteuerhinterziehung (unterlassene Umsatzsteuervoranmeldung als mitbestrafte ...
- OLG Schleswig, 30.10.2015 - 2 Ss 63/15
Steuerhinterziehung: Keine strafbefreiende Wirkung steuerlicher Selbstanzeige bei ...
- OLG Frankfurt, 01.06.2017 - 17 U 151/16
§ 280 BGB, § 7 PartGG, § 124 HGB, § 153 AO, § 371 AO, ...
§ 371 AO in Nachschlagewerken
- § 371 AO wird in Wikipedia unter folgenden Stichworten zitiert:
- Selbstanzeige
Querverweise
Auf § 371 AO verweisen folgende Vorschriften:
- Abgabenordnung (AO)
- Durchführung der Besteuerung
- Festsetzungs- und Feststellungsverfahren
- Steuerfestsetzung
- II. Festsetzungsverjährung
- § 171 (Ablaufhemmung)
- Landesgebührengesetz (LGebG)
- Sonstige Regelungen, Schlussbestimmungen
- § 25 (Gebührenhinterziehung, leichtfertige Gebührenverkürzung)
- Einkommensteuergesetz (EStG)
- IX. Sonstige Vorschriften, Bußgeld-, Ermächtigungs- und Schlussvorschriften
- § 50e (Bußgeldvorschriften; Nichtverfolgung von Steuerstraftaten bei geringfügiger Beschäftigung in Privathaushalten)
- XI. Altersvorsorgezulage
- § 96 (Anwendung der Abgabenordnung, allgemeine Vorschriften)
- XIII. Mobilitätsprämie
- § 108 (Anwendung von Straf- und Bußgeldvorschriften der Abgabenordnung)
- XV. Energiepreispauschale
- § 121 (Anwendung von Straf- und Bußgeldvorschriften der Abgabenordnung)
- Kreditwesengesetz (KWG)
- Allgemeine Vorschriften
- 2. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
- § 8 (Zusammenarbeit mit anderen Stellen)
- Wassergesetz (WasserG)
- Straf- und Bußgeldbestimmungen
- § 125 (Anwendung der Straf- und Bußgeldvorschriften der Abgabenordnung)
- Kommunalabgabengesetz (KAG)
- Allgemeine Vorschriften
- § 7 (Abgabenhinterziehung)