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   BVerfG, 29.11.2023 - 2 BvF 1/21   

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BVerfG, 29.11.2023 - 2 BvF 1/21 (https://dejure.org/2023,33250)
BVerfG, Entscheidung vom 29.11.2023 - 2 BvF 1/21 (https://dejure.org/2023,33250)
BVerfG, Entscheidung vom 29. November 2023 - 2 BvF 1/21 (https://dejure.org/2023,33250)
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Volltextveröffentlichungen (8)

  • Bundesverfassungsgericht

    Das Bundeswahlrecht 2020 ist verfassungsgemäß

  • rechtsprechung-im-internet.de

    Art 38 Abs 1 S 1 GG, § 6 Abs 5 S 1 BWahlG vom 14.11.2020, § 6 Abs 5 S 2 BWahlG vom 14.11.2020, § 6 Abs 5 S 3 BWahlG vom 14.11.2020, § 6 Abs 5 S 4 BWahlG vom 14.11.2020
    Neuregelung der Sitzzuteilung bei Bundestagswahlen im Rahmen der Wahlrechtsreform 2020 (Art 1 Nr 3 bis 5 BWahlGÄndG 25) verfassungsgemäß - angegriffene Vorschriften hinreichend bestimmt sowie mit Grundsätzen der Gleichheit und der Unmittelbarkeit der Wahl sowie mit der ...

  • Wolters Kluwer

    Vereinbarkeit der Neuregelung der Sitzzuteilung bei Bundestagswahlen i.R.d. Wahlrechtsreform 2020 mit dem Grundgesetz; Geltung der allgemeinen Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit von Gesetzen auch für wahlrechtliche Normen; Zulassung von Überhangmandaten ...

  • rewis.io

    Neuregelung der Sitzzuteilung bei Bundestagswahlen im Rahmen der Wahlrechtsreform 2020 (Art 1 Nr 3 bis 5 BWahlGÄndG 25) verfassungsgemäß - angegriffene Vorschriften hinreichend bestimmt sowie mit Grundsätzen der Gleichheit und der Unmittelbarkeit der Wahl sowie mit der ...

  • doev.de PDF

    Normenkontrolle Bundeswahlgesetz 2020

  • rechtsportal.de(Abodienst, kostenloses Probeabo)

    Neuregelung der Sitzzuteilung bei Bundestagswahlen im Rahmen der Wahlrechtsreform 2020 (Art 1 Nr 3 bis 5 BWahlGÄndG 25) verfassungsgemäß - angegriffene Vorschriften hinreichend bestimmt sowie mit Grundsätzen der Gleichheit und der Unmittelbarkeit der Wahl sowie mit der ...

  • rechtsportal.de

    Neuregelung der Sitzzuteilung bei Bundestagswahlen im Rahmen der Wahlrechtsreform 2020 (Art 1 Nr 3 bis 5 BWahlGÄndG 25) verfassungsgemäß - angegriffene Vorschriften hinreichend bestimmt sowie mit Grundsätzen der Gleichheit und der Unmittelbarkeit der Wahl sowie mit der ...

  • datenbank.nwb.de

    Neuregelung der Sitzzuteilung bei Bundestagswahlen im Rahmen der Wahlrechtsreform 2020 (Art 1 Nr 3 bis 5 BWahlGÄndG 25) verfassungsgemäß - angegriffene Vorschriften hinreichend bestimmt sowie mit Grundsätzen der Gleichheit und der Unmittelbarkeit der Wahl sowie mit der ...

Kurzfassungen/Presse (9)

  • Bundesverfassungsgericht (Pressemitteilung)

    Das Bundeswahlrecht 2020 ist verfassungsgemäß

  • Rechtslupe (Kurzinformation/Zusammenfassung)

    Wahlrechtsänderung zur Bundestagswahl 2021

  • tp-presseagentur.de (Kurzinformation)

    Das Bundeswahlrecht 2020 ist verfassungsgemäß

  • kostenlose-urteile.de (Kurzmitteilung)

    Bundeswahlrecht 2020 ist verfassungsgemäß - Normenkontrollantrag ist zulässig aber unbegründet

  • Bundesverfassungsgericht (Pressemitteilung - vor Ergehen der Entscheidung)

    Normenkontrolle Bundeswahlrecht

  • Bundesverfassungsgericht (Pressemitteilung - vor Ergehen der Entscheidung)

    Normenkontrolle Bundeswahlrecht 2020

  • lto.de (Kurzinformation zum Verfahren - vor Ergehen der Entscheidung, 10.08.2021)

    Streit um Überhangmandate: BVerfG-Eilentscheidung zur Wahlrechtsreform kommt am Freitag

  • lto.de (Kurzinformation zum Verfahren - vor Ergehen der Entscheidung)

    Umstrittene Wahlrechtsreform 2020: BVerfG urteilt Ende November

  • lto.de (Pressebericht zum Verfahren - vor Ergehen der Entscheidung, 28.11.2023)

    GroKo-Reform: Ist das Wahlrecht zu kompliziert?

Besprechungen u.ä.

Verfahrensgang

Papierfundstellen

  • NJW 2024, 1251
 
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Wird zitiert von ... (2)Neu Zitiert selbst (109)

  • BVerfG, 25.07.2012 - 2 BvF 3/11

    Landeslisten - Neuregelung des Sitzzuteilungsverfahrens für die Wahlen zum

    Auszug aus BVerfG, 29.11.2023 - 2 BvF 1/21
    Veranlasst war diese Änderung durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Juli 2012 (BVerfGE 131, 316), mit der § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2a Bundeswahlgesetz in der Fassung des Art. 1 des Neunzehnten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 25. November 2011 (BGBl I S. 2313 ) für mit Art. 21 Abs. 1 und Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG unvereinbar und nichtig erklärt sowie festgestellt worden war, dass § 6 Abs. 5 BWahlG 2011 nach Maßgabe der Urteilsgründe mit diesen Verfassungsbestimmungen unvereinbar ist.

    bb) Welcher Grad an Bestimmtheit geboten ist, lässt sich nicht generell und abstrakt festlegen, sondern hängt von der Eigenart des Regelungsgegenstands und dem Zweck der betreffenden Norm ab (vgl. BVerfGE 103, 111 ; 131, 316 ; jeweils m.w.N.).

    cc) Grundsätzlich fehlt es an der notwendigen Bestimmtheit nicht schon deshalb, weil eine Norm auslegungsbedürftig ist (vgl. BVerfGE 45, 400 ; 83, 230 ; 128, 282 ; 131, 316 ; 134, 141 ; 149, 160 ; 149, 293 ; stRspr).

    b) Die dargelegten Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit von Gesetzen gelten auch für wahlrechtliche Normen (vgl. BVerfGE 131, 316 ).

    Diese wurde im Grundsatz bereits durch das Zweiundzwanzigste Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 3. Mai 2013 (BGBl I S. 1082) geschaffen und sollte in Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Juli 2012 (BVerfGE 131, 316) die Entstehung ausgleichsloser Überhangmandate vermeiden (vgl. BTDrucks 17/11819, S. 1).

    Diesbezüglich hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass im System der personalisierten Verhältniswahl ein solcher Ausgleich dann noch als gewahrt angesehen werden kann, wenn die Zahl unausgeglichener Überhangmandate etwa die Hälfte der für die Bildung einer Fraktion erforderlichen Zahl von Abgeordneten (vgl. § 10 Abs. 1 GO-BT) nicht überschreitet (vgl. BVerfGE 131, 316 ).

    In letzterem Fall ließe die Norm offensichtlich das Anfallen von Überhangmandaten in einem Umfang zu, der den Grundcharakter der Wahl als Verhältniswahl aufheben und Bedenken gegen deren Verfassungskonformität begründen würde (vgl. BVerfGE 131, 316 ); im ersteren Fall wäre dies jedenfalls nicht ausgeschlossen.

    Alle Wählerinnen und Wähler sollen mit der Stimme, die sie abgeben, den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis nehmen können (vgl. BVerfGE 95, 335 ; 121, 266 ; 124, 1 ; 129, 300 ; 131, 316 ; 146, 327 ; stRspr).

    Bei der Verhältniswahl verlangt der Grundsatz der Wahlgleichheit darüber hinaus, dass jeder Wähler mit seiner Stimme auch den gleichen Einfluss auf die Zusammensetzung der zu wählenden Volksvertretung haben muss (vgl. BVerfGE 16, 130 ; 95, 335 ; 131, 316 ; 146, 327 ; stRspr).

    Zur Zählwert- und Erfolgschancengleichheit tritt im Verhältniswahlrecht die Erfolgswertgleichheit hinzu, die verlangt, dass jede gültige Stimme mit gleichem Gewicht bewertet wird, ihr mithin ein anteilsmäßig gleicher Erfolg zukommt (vgl. BVerfGE 120, 82 ; 129, 300 ; 131, 316 ; 135, 259 ; 146, 327 ; stRspr).

    Auch die verfassungslegitime Zielsetzung der personalisierten Verhältniswahl, die darauf abzielt, dem Wähler im Rahmen einer Verhältniswahl die Wahl von Persönlichkeiten zu ermöglichen, stellt einen Grund dar, der zur Rechtfertigung von Eingriffen in die Gleichheit der Wahl und die Chancengleichheit der Parteien in Betracht kommt (vgl. BVerfGE 7, 63 ; 16, 130 ; 95, 335 ; 131, 316 ).

    Das Bundesverfassungsgericht prüft lediglich, ob die verfassungsrechtlichen Grenzen eingehalten sind, nicht aber, ob der Gesetzgeber zweckmäßige oder rechtspolitisch erwünschte Lösungen gefunden hat (vgl. BVerfGE 51, 222 ; 95, 408 ; 121, 266 ; 131, 316 ; 146, 327 ).

    Es kann, sofern die differenzierende Regelung an einem Ziel orientiert ist, das der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Wahlrechts verfolgen darf, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl oder der Chancengleichheit der Parteien nur feststellen, wenn die Regelung zur Erreichung dieses Ziels nicht geeignet ist oder das Maß des zur Erreichung dieses Ziels Erforderlichen überschreitet (vgl. BVerfGE 6, 84 ; 51, 222 ; 95, 408 ; 120, 82 ; 121, 266 ; 129, 300 ; 131, 316 ; 135, 259 ; 146, 327 ; 162, 207 ).

    a) Das Bundesverfassungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Bundestagswahl unbeschadet der Direktwahl der Wahlkreiskandidaten den Grundcharakter einer Verhältniswahl trägt (vgl. BVerfGE 6, 84 ; 16, 130 ; 95, 335 ; 121, 266 ; 131, 316 ).

    Der gemäß § 6 Abs. 5 und 6 BWahlG durchzuführende Verhältnisausgleich unterliegt daher uneingeschränkt den allgemeinen Anforderungen an Durchbrechungen des Gebots der Erfolgswertgleichheit im Verhältniswahlrecht (vgl. BVerfGE 1, 208 ; 6, 84 ; 95, 335 ; 131, 316 ).

    Die Erststimme bleibt demgegenüber grundsätzlich ohne Auswirkung auf die Verteilung der Mandate auf die politischen Parteien (vgl. BVerfGE 79, 161 ; 131, 316 ).

    Jedoch ist - schon ex ante betrachtet - gerade nicht gewährleistet, dass alle Wählerinnen und Wähler durch ihre Stimmabgabe gleichen Einfluss auf die Sitzverteilung nehmen können (vgl. BVerfGE 131, 316 ).

    Bei einer Partei, die einen Überhang erzielt, entfallen jedoch auf jeden ihrer Sitze weniger Zweitstimmen als bei einer Partei, der dies nicht gelingt (vgl. BVerfGE 131, 316 m.w.N.).

    bb) Der mit der gesetzlich vorgesehenen Zuteilung von bis zu drei Überhangmandaten verbundene Eingriff in die Wahlgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien ist mit Blick auf die in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Juli 2012 (BVerfGE 131, 316) entwickelten Maßstäbe (1) gerechtfertigt (2).

    (1) Die mit der ausgleichslosen Zuteilung von Überhangmandaten verbundene Differenzierung des Erfolgswertes der Wählerstimmen kann verfassungsrechtlich in begrenztem Umfang durch das besondere Anliegen einer mit der Personenwahl verbundenen Verhältniswahl gerechtfertigt sein (vgl. BVerfGE 131, 316 ).

    (a) Danach ist die Zielsetzung der personalisierten Verhältniswahl, die darin besteht, den Wählerinnen und Wählern die Möglichkeit zu geben, auch im Rahmen der Verhältniswahl Persönlichkeiten zu wählen, von der Verfassung gedeckt (vgl. BVerfGE 131, 316 ).

    Durch die Wahl der Wahlkreiskandidaten soll annähernd die Hälfte der Abgeordneten in einer engeren persönlichen Beziehung zu ihrem Wahlkreis stehen (vgl. BVerfGE 7, 63 ; 16, 130 ; 41, 399 ; 95, 335 ; 131, 316 ).

    Dieses Ziel kann nur verwirklicht werden, wenn der erfolgreiche Kandidat sein Wahlkreismandat auch dann erhält, wenn das nach dem Proporz ermittelte Sitzkontingent der Landesliste seiner Partei zur Verrechnung nicht ausreicht (vgl. BVerfGE 95, 335 ; 131, 316 ).

    Dieses Anliegen ist hinreichend gewichtig, um die ausgleichslose Zuteilung von Überhangmandaten in begrenztem Umfang zu rechtfertigen (vgl. BVerfGE 7, 63 ; 16, 130 ; 95, 335 ; 131, 316 ).

    So trifft es zwar zu, dass die durch den Anfall von Überhangmandaten bewirkte Differenzierung des Erfolgswertes der Wählerstimmen mit einer personalisierten Verhältniswahl nicht zwangsläufig verbunden ist, weil der als Ergebnis des unvollständig durchgeführten Verhältnisausgleichs gestörte Proporz etwa durch Zuteilung von Ausgleichsmandaten wiederhergestellt werden könnte (vgl. BVerfGE 95, 335 ; 131, 316 ).

    Im Rahmen des ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums darf der Gesetzgeber das Anliegen einer proportionalen Verteilung der Gesamtzahl der Sitze grundsätzlich zurückstellen und Überhangmandate ohne Wiederherstellung des Proporzes zulassen (vgl. BVerfGE 131, 316 ).

    (b) Das Ausmaß der mit der ausgleichslosen Zuteilung von Überhangmandaten verbundenen Differenzierung des Erfolgswertes der Wählerstimmen muss sich jedoch innerhalb des gesetzgeberischen Konzepts einer personalisierten Verhältniswahl halten (vgl. BVerfGE 95, 408 ; 131, 316 ).

    Die Zuteilung zusätzlicher Bundestagssitze außerhalb des Proporzes darf nicht dazu führen, dass der Grundcharakter der Wahl als einer am Ergebnis der für die Parteien abgegebenen Stimmen orientierten Verhältniswahl aufgehoben wird (vgl. BVerfGE 95, 335 ; 131, 316 ).

    Es ist in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers, die Zahl hinnehmbarer Überhangmandate festzulegen (vgl. BVerfGE 131, 316 ).

    Fallen sie regelmäßig in größerer Zahl an, widerspricht dies der Grundentscheidung des Gesetzgebers für die personalisierte Verhältniswahl (vgl. BVerfGE 95, 335 ; 131, 316 ).

    Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Anliegen möglichst proportionaler Abbildung des Zweitstimmenergebnisses im Deutschen Bundestag und dem mit der Personenwahl verbundenen Belang uneingeschränkten Erhalts von Wahlkreismandaten dann nicht mehr als gewahrt angesehen, wenn die Zahl der Überhangmandate etwa die Hälfte der für die Bildung einer Fraktion erforderlichen Zahl überschreitet (vgl. BVerfGE 131, 316 ).

    Das Element der Personenwahl findet darin Ausdruck, dass 299 Abgeordnete und somit die Hälfte der Ausgangsgröße von 598 Abgeordneten (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BWahlG) mit der Erststimme auf der Grundlage von Kreiswahlvorschlägen nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl gewählt werden (§ 1 Abs. 2, § 4 Halbsatz 1, § 5 BWahlG; vgl. dazu BVerfGE 131, 316 ).

    Die Zulassung von bis zu drei unausgeglichenen Überhangmandaten stellt sich als Weiterentwicklung der Reaktion des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dar, wonach dieser verpflichtet ist, bei der Umsetzung der mit der Personenwahl verfolgten engen Bindung zwischen Wählerschaft und Abgeordneten Vorkehrungen gegen einen übermäßigen Anfall von Überhangmandaten zu treffen (vgl. BVerfGE 131, 316 ).

    Während das Bundeswahlgesetz 2011 keinerlei Regelung zum Ausgleich von Überhangmandaten traf, sah der Gesetzgeber unter Hinweis auf die Senatsentscheidung vom 25. Juli 2012 (BVerfGE 131, 316) in § 6 Abs. 5 BWahlG 2013 einen Vollausgleich vor (vgl. BTDrucks 17/11819, S. 5 f.).

    (aa) Der Senat hält daran fest, dass ein angemessener Ausgleich zwischen dem Anliegen möglichst proportionaler Abbildung des Zweitstimmenergebnisses im Deutschen Bundestag und dem mit der Personenwahl verbundenen Belang des uneingeschränkten Erhalts von Wahlkreismandaten und des annähernd ausgeglichenen Verhältnisses von Wahlkreismandaten und Listenmandaten dann nicht mehr gewahrt ist, wenn die Zahl der Überhangmandate etwa die Hälfte der für die Bildung einer Fraktion erforderlichen Zahl von Abgeordneten überschreitet (vgl. BVerfGE 131, 316 ).

    Ausgehend von § 10 Abs. 1 Satz 1 GO-BT in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980 (BGBl I S. 1237) sind dies 15 Abgeordnete (vgl. bereits BVerfGE 131, 316 ).

    Zwar ist die durch den Anfall von Überhangmandaten bewirkte Differenzierung des Erfolgswertes der Wählerstimmen mit einer personalisierten Verhältniswahl nicht zwangsläufig verbunden, weil der gestörte Proporz durch Zuteilung von Ausgleichsmandaten wiederhergestellt werden könnte (vgl. BVerfGE 95, 335 ; 131, 316 ).

    Allerdings erforderte eine vollständige Verwirklichung des Ziels der Verhältniswahl eine im Einzelnen nicht vorhersehbare Erhöhung der Sitzzahl des Bundestages, wodurch das Ziel, die Abgeordneten des Deutschen Bundestages annäherungsweise zur Hälfte personenbezogen zu legitimieren, nicht erreicht werden könnte (vgl. BVerfGE 131, 316 ).

    Im Rahmen des ihm insoweit zukommenden Gesetzgebungsauftrags darf der Gesetzgeber das Anliegen einer proportionalen Verteilung der Gesamtzahl der Sitze zurückstellen und Überhangmandate ohne Wiederherstellung des Proporzes zulassen, solange sich die damit verbundene Differenzierung des Erfolgswertes der Wählerstimmen innerhalb des gesetzgeberischen Konzepts hält (vgl. BVerfGE 95, 408 ; 131, 316 ).

    Dabei ist es im Rahmen der sich aus seiner Wahlsystementscheidung ergebenden Grenzen seine Sache, die Zahl hinnehmbarer Überhangmandate konkret festzulegen (vgl. BVerfGE 131, 316 ).

    Die Erfolgswertgleichheit verlangt, dass jede gültig abgegebene Stimme bei dem anzuwendenden Rechenverfahren mit gleichem Gewicht bewertet wird und ihr ein anteilsmäßig gleicher Erfolg zukommt (vgl. BVerfGE 95, 335 ; 131, 316 ; 146, 327 ; jeweils m.w.N.).

    Erfolgte hingegen ein Vollausgleich der Quasi-Überhangmandate, würde das Ziel, die Abgeordneten des Deutschen Bundestages annähernd zur Hälfte personenbezogen zu legitimieren (vgl. BVerfGE 131, 316 ), in geringerem Umfang erreicht.

    Dieses Wahlsystem ist darauf angelegt, die Ergebnisse der vorgeschalteten Personenwahl zu erhalten (vgl. BVerfGE 131, 316 ; Boehl, in: Schreiber, BWahlG, 11. Aufl. 2021, § 6 Rn. 19 ff.).

    Ebenso steht es ihm im Rahmen seines Regelungsauftrags gemäß Art. 38 Abs. 3 GG frei, föderalen Belangen ein größeres oder geringeres Gewicht beizumessen (vgl. BVerfGE 131, 316 ).

    aa) Die Mandatszuteilung darf grundsätzlich nicht dazu führen, dass die Sitzzahl einer Partei erwartungswidrig mit der auf diese oder eine konkurrierende Partei entfallenden Stimmenzahl korreliert (Effekt des negativen Stimmgewichts; vgl. BVerfGE 131, 316 ).

    (1) Der Effekt des negativen Stimmgewichts beeinträchtigt die Wahlgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien (vgl. BVerfGE 121, 266 ; 131, 316 ).

    Ein Berechnungsverfahren, das dazu führt, dass eine Wählerstimme für eine Partei Wirkung gegen diese Partei entfaltet, widerspricht Sinn und Zweck einer demokratischen Wahl (vgl. BVerfGE 121, 266 ; 131, 316 ).

    Gesetzliche Regelungen, die derartige Unwägbarkeiten nicht nur in seltenen und unvermeidbaren Ausnahmefällen hervorrufen, sind mit dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl nicht zu vereinbaren (vgl. BVerfGE 121, 266 ; 131, 316 ).

    Zudem habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 25. Juli 2012 (BVerfGE 131, 316) bis zu 15 ausgleichslose Überhangmandate für verfassungsgemäß, den Effekt des negativen Stimmgewichts aber zugleich für verfassungswidrig erklärt.

    (a) Die wesentliche Ursache für das Auftreten des negativen Stimmgewichts unter dem Bundeswahlgesetz in der Fassung des Neunzehnten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 25. November 2011 (BGBl I S. 2313) bestand in der Bestimmung der Ländersitzkontingente nach der Wählerzahl (vgl. BVerfGE 131, 316 ).

    Ein widersinniger, dem Sinn und Zweck einer demokratischen Wahl widersprechender Effekt (vgl. BVerfGE 121, 266 ; 131, 316 ) zum Nachteil der von dem Zweitstimmenzuwachs betroffenen Partei wäre damit nicht verbunden.

    Hinzu kommt, dass es sich bei der durch einen Zuwachs an Zweitstimmen bedingten Ersetzung eines unausgeglichenen Überhangmandats um einen äußerst seltenen und daher verfassungsrechtlich unbedenklichen Ausnahmefall handeln dürfte (vgl. BVerfGE 121, 266 ; 131, 316 ).

    Ist er - wie dargestellt (s.o. Rn. 174 ff.) - befugt, eine begrenzte Zahl an echten Überhangmandaten zuzulassen, stellt sich die hierauf bezogene Nichtzuteilung von Ausgleichsmandaten nicht als widersinniger, dem Sinn und Zweck einer demokratischen Wahl widersprechender Effekt (vgl. BVerfGE 121, 266 ; 131, 316 ) dar.

    Welche Konsequenzen sich für die Beachtung des verfassungsrechtlichen Gebots der Normenklarheit aus diesem Umstand ergeben, ist mit Blick auf den jeweiligen Regelungsgegenstand zu bestimmen (vgl. dazu allgemein BVerfGE 103, 111 ; 131, 316 jeweils m.w.N.).

    Sie gewährleistet, dass im Sinne des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht und verleiht dem Deutschen Bundestag und durch diesen vermittelt allen anderen staatlichen Organen ihre demokratische Legitimation (vgl. BVerfGE 83, 60 ; 89, 155 ; 93, 37 ; 123, 39 ; 123, 267 ; 131, 316 ).

    Eine Gestaltung des Wahlverfahrens, welche die Entschließungsfreiheit des Wählers in einer innerhalb des Wahlsystems vermeidbaren Weise verengt (vgl. BVerfGE 47, 253 ; 95, 335 ; 131, 316 ), ist damit ebenso unvereinbar wie ein Wahlverfahren, in dem für die Wählerinnen und Wähler vor dem Wahlakt nicht erkennbar ist, wie sich die eigene Stimmabgabe auf Erfolg oder Misserfolg der Wahlbewerberinnen und Wahlbewerber auswirken kann (vgl. BVerfGE 47, 253 ; 95, 335 ; 121, 266 ; 131, 316 ).

  • BVerfG, 03.07.2008 - 2 BvC 1/07

    Regelungen des Bundeswahlgesetzes, aus denen sich Effekt des negativen

    Auszug aus BVerfG, 29.11.2023 - 2 BvF 1/21
    Gleiches gilt, soweit der Zweite Senat den Gesetzgeber wiederholt aufgefordert hat, das für den Wähler kaum noch nachzuvollziehende Regelungsgeflecht der Berechnung der Sitzzuteilung im Deutschen Bundestag auf eine normenklare und verständliche Grundlage zu stellen (vgl. BVerfGE 121, 266 ; 122, 304 ; BVerfG, Beschlüsse des Zweiten Senats vom 9. Februar 2009 - 2 BvC 11/04 -, Rn. 17; vom 18. Februar 2009 - 2 BvC 6/03 -, Rn. 19 sowie - 2 BvC 9/04 -, Rn. 27; vom 26. Februar 2009 - 2 BvC 6/04 -, Rn. 20 sowie - 2 BvC 1/04 -, Rn. 21; vom 25. Februar 2010 - 2 BvC 6/07 -, Rn. 18.).

    Dieser Appell erfolgte jeweils unter Verweis auf die anstehende Neuregelung des Sitzzuteilungsverfahrens durch den Gesetzgeber, die durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum negativen Stimmgewicht (BVerfGE 121, 266) notwendig geworden war und die der Gesetzgeber mit dem Neunzehnten Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 25. November 2011 (BGBl I S. 2313) vornahm.

    (aa) Für die Beantwortung der Frage, welche Regelungskonzeption einem Gesetz zugrunde liegt, kommt dem Verständnis der Vorschrift in der Praxis - zumal wenn es sich um ein einheitliches, über einen längeren Zeitraum unverändertes Verständnis handelt - eine gewisse Indizwirkung zu (vgl. BVerfGE 122, 248 [Sondervotum]; vgl. für die Berücksichtigung der Praxis bei der Auslegung von Wahlrechtsnormen BVerfGE 95, 335 ; 121, 266 ).

    Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 BWahlG hat der Gesetzgeber sich in verfassungskonformer Weise (vgl. BVerfGE 6, 84 ; 6, 104 ; 95, 335 ; 121, 266 ) für eine mit der Personenwahl verbundene Verhältniswahl entschieden.

    Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl sichert dabei die vom Demokratieprinzip vorausgesetzte Egalität der Bürgerinnen und Bürger (vgl. BVerfGE 99, 1 ; 121, 266 ; 124, 1 ; 135, 259 ; 146, 327 ; stRspr).

    Als eine der wesentlichen Grundlagen der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes (vgl. BVerfGE 6, 84 ; 11, 351 ; 121, 266 ; 124, 1 ; 135, 259 ; 146, 327 ; stRspr) gebietet er, dass alle Wahlberechtigten das aktive und passive Wahlrecht möglichst in formal gleicher Weise ausüben können, und ist daher im Sinne einer strengen und formalen Gleichheit zu verstehen (vgl. BVerfGE 51, 222 ; 78, 350 ; 82, 322 ; 121, 266 ; 135, 259 ; 146, 327 ; stRspr).

    Alle Wählerinnen und Wähler sollen mit der Stimme, die sie abgeben, den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis nehmen können (vgl. BVerfGE 95, 335 ; 121, 266 ; 124, 1 ; 129, 300 ; 131, 316 ; 146, 327 ; stRspr).

    Der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl setzt demgemäß ein Wahlverfahren voraus, in dem die Wählerinnen und Wähler vor dem Wahlakt erkennen können, welche Personen sich um ein Abgeordnetenmandat bewerben und wie sich die eigene Stimmabgabe auf Erfolg oder Misserfolg der Wahlbewerber auswirkt (vgl. BVerfGE 47, 253 ; 95, 335 ; 97, 317 ; 121, 266 ).

    Ausreichend ist die Möglichkeit einer der Intention des jeweiligen Wählers entsprechenden positiven Beeinflussung des Wahlergebnisses (vgl. BVerfGE 121, 266 ).

    Differenzierungen im Wahlrecht können aber nur durch Gründe gerechtfertigt werden, die durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht sind, das der Wahlgleichheit die Waage halten kann (vgl. BVerfGE 120, 82 ; 121, 266 ; 129, 300 ; 130, 212 ; 135, 259 ; 146, 327 ; 162, 207 - Äußerungsbefugnisse der Bundeskanzlerin; jeweils m.w.N.).

    Solche stellen die Sicherung des Charakters der Wahl als eines Integrationsvorgangs bei der politischen Willensbildung des Volkes und die Sicherung der Funktionsfähigkeit der zu wählenden Volksvertretung dar (vgl. BVerfGE 95, 408 ; 120, 82 ; 121, 266 ; 129, 300 ; 135, 259 ; 146, 327 ; jeweils m.w.N.).

    Das Bundesverfassungsgericht prüft lediglich, ob die verfassungsrechtlichen Grenzen eingehalten sind, nicht aber, ob der Gesetzgeber zweckmäßige oder rechtspolitisch erwünschte Lösungen gefunden hat (vgl. BVerfGE 51, 222 ; 95, 408 ; 121, 266 ; 131, 316 ; 146, 327 ).

    Es kann, sofern die differenzierende Regelung an einem Ziel orientiert ist, das der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Wahlrechts verfolgen darf, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl oder der Chancengleichheit der Parteien nur feststellen, wenn die Regelung zur Erreichung dieses Ziels nicht geeignet ist oder das Maß des zur Erreichung dieses Ziels Erforderlichen überschreitet (vgl. BVerfGE 6, 84 ; 51, 222 ; 95, 408 ; 120, 82 ; 121, 266 ; 129, 300 ; 131, 316 ; 135, 259 ; 146, 327 ; 162, 207 ).

    a) Das Bundesverfassungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Bundestagswahl unbeschadet der Direktwahl der Wahlkreiskandidaten den Grundcharakter einer Verhältniswahl trägt (vgl. BVerfGE 6, 84 ; 16, 130 ; 95, 335 ; 121, 266 ; 131, 316 ).

    Bei der Gewichtung des Anliegens einer föderalen Zuordnung der Stimmen ist aber zu berücksichtigen, dass es bei der Wahl zum Deutschen Bundestag um die Wahl des unitarischen Vertretungsorgans des Bundesvolkes geht (vgl. BVerfGE 121, 266 m.w.N.).

    Vor diesem Hintergrund ist der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag berechtigt, aber nicht verpflichtet, föderalen Belangen Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 6, 84 ; 16, 130 ; 95, 335 ; 121, 266 m.w.N.).

    (1) Der Effekt des negativen Stimmgewichts beeinträchtigt die Wahlgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien (vgl. BVerfGE 121, 266 ; 131, 316 ).

    Ein Wahlsystem, das darauf ausgelegt ist oder doch jedenfalls in typischen Konstellationen zulässt, dass ein Zuwachs an Stimmen zu Mandatsverlusten führt oder dass für den Wahlvorschlag einer Partei insgesamt mehr Mandate erzielt werden, wenn auf ihn weniger oder auf einen konkurrierenden Vorschlag mehr Stimmen entfallen, führt zu willkürlichen Ergebnissen und lässt den demokratischen Wettbewerb um Zustimmung bei den Wahlberechtigten widersinnig erscheinen (vgl. BVerfGE 121, 266 ).

    Ein Berechnungsverfahren, das dazu führt, dass eine Wählerstimme für eine Partei Wirkung gegen diese Partei entfaltet, widerspricht Sinn und Zweck einer demokratischen Wahl (vgl. BVerfGE 121, 266 ; 131, 316 ).

    Diese erlaubt zwar, dass - wie zum Beispiel im Mehrheitswahlrecht - Stimmen nicht gewertet werden, nicht aber, dass einer Wahlstimme neben der Chance, zum beabsichtigten Erfolg beizutragen, auch die Gefahr innewohnt, dem eigenen Wahlziel zu schaden (vgl. BVerfGE 121, 266 ).

    Gesetzliche Regelungen, die derartige Unwägbarkeiten nicht nur in seltenen und unvermeidbaren Ausnahmefällen hervorrufen, sind mit dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl nicht zu vereinbaren (vgl. BVerfGE 121, 266 ; 131, 316 ).

    Auch ist die Möglichkeit der Listenverbindungen entfallen, die nach dem Bundeswahlgesetz in der Fassung des Siebzehnten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 11. März 2005 (BGBl I S. 674) im Zusammenhang mit Überhangmandaten den Effekt des negativen Stimmgewichts auslösten (vgl. BVerfGE 121, 266 ).

    Ein widersinniger, dem Sinn und Zweck einer demokratischen Wahl widersprechender Effekt (vgl. BVerfGE 121, 266 ; 131, 316 ) zum Nachteil der von dem Zweitstimmenzuwachs betroffenen Partei wäre damit nicht verbunden.

    Hinzu kommt, dass es sich bei der durch einen Zuwachs an Zweitstimmen bedingten Ersetzung eines unausgeglichenen Überhangmandats um einen äußerst seltenen und daher verfassungsrechtlich unbedenklichen Ausnahmefall handeln dürfte (vgl. BVerfGE 121, 266 ; 131, 316 ).

    Ist er - wie dargestellt (s.o. Rn. 174 ff.) - befugt, eine begrenzte Zahl an echten Überhangmandaten zuzulassen, stellt sich die hierauf bezogene Nichtzuteilung von Ausgleichsmandaten nicht als widersinniger, dem Sinn und Zweck einer demokratischen Wahl widersprechender Effekt (vgl. BVerfGE 121, 266 ; 131, 316 ) dar.

    Eine Gestaltung des Wahlverfahrens, welche die Entschließungsfreiheit des Wählers in einer innerhalb des Wahlsystems vermeidbaren Weise verengt (vgl. BVerfGE 47, 253 ; 95, 335 ; 131, 316 ), ist damit ebenso unvereinbar wie ein Wahlverfahren, in dem für die Wählerinnen und Wähler vor dem Wahlakt nicht erkennbar ist, wie sich die eigene Stimmabgabe auf Erfolg oder Misserfolg der Wahlbewerberinnen und Wahlbewerber auswirken kann (vgl. BVerfGE 47, 253 ; 95, 335 ; 121, 266 ; 131, 316 ).

    (4) Eine Beschränkung des Gebots der Normenklarheit im Wahlrecht auf die Perspektive der Wahlorgane lässt sich schließlich nicht mit dem Hinweis der Senatsmehrheit rechtfertigen, bei den wiederholten Aufforderungen des Zweiten Senats an den Gesetzgeber, das für die Wählerinnen und Wähler kaum noch nachzuvollziehende Regelungsgeflecht der Berechnung der Sitzzuteilung im Deutschen Bundestag auf eine normenklare und verständliche Grundlage zu stellen (vgl. BVerfGE 121, 266 ; 122, 304 ; BVerfG, Beschlüsse des Zweiten Senats vom 9. Februar 2009 - 2 BvC 11/04 -, Rn. 17; vom 18. Februar 2009 - 2 BvC 6/03 -, Rn. 19 sowie - 2 BvC 9/04 -, Rn. 27; vom 26. Februar 2009 - 2 BvC 6/04 -, Rn. 20 sowie - 2 BvC 1/04 -, Rn. 21; vom 25. Februar 2010 - 2 BvC 6/07 -, Rn. 18), habe es sich um bloße Appelle gehandelt.

    d) Soweit die Senatsmehrheit darauf verweist, das Gebot hinreichender Klarheit und Bestimmtheit der Gesetze dürfe nicht dazu führen, den Gesetzgeber in seinem Spielraum bei der Auswahl des Wahlsystems einzuschränken (s.o. Rn. 153), ist zwar richtig, dass ihm gemäß Art. 38 Abs. 3 GG bei der Festlegung des Wahlsystems ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet ist (vgl. BVerfGE 3, 19 ; 59, 119 ; 95, 335 ) und er insbesondere die Wahl sowohl als Mehrheits- oder Verhältniswahl ausgestalten als auch beide Wahlsysteme miteinander verbinden kann (vgl. BVerfGE 95, 335 ; 121, 266 ).

  • BVerfG, 10.04.1997 - 2 BvF 1/95

    Überhangmandate II

    Auszug aus BVerfG, 29.11.2023 - 2 BvF 1/21
    (aa) Für die Beantwortung der Frage, welche Regelungskonzeption einem Gesetz zugrunde liegt, kommt dem Verständnis der Vorschrift in der Praxis - zumal wenn es sich um ein einheitliches, über einen längeren Zeitraum unverändertes Verständnis handelt - eine gewisse Indizwirkung zu (vgl. BVerfGE 122, 248 [Sondervotum]; vgl. für die Berücksichtigung der Praxis bei der Auslegung von Wahlrechtsnormen BVerfGE 95, 335 ; 121, 266 ).

    Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 BWahlG hat der Gesetzgeber sich in verfassungskonformer Weise (vgl. BVerfGE 6, 84 ; 6, 104 ; 95, 335 ; 121, 266 ) für eine mit der Personenwahl verbundene Verhältniswahl entschieden.

    (2) Das Gebot hinreichender Bestimmtheit und Klarheit der Gesetze führt nicht dazu, dass der Gesetzgeber in seinem Spielraum gemäß Art. 38 Abs. 3 GG zur Auswahl des Wahlsystems (vgl. BVerfGE 95, 335 ) eingeschränkt wäre.

    Alle Wählerinnen und Wähler sollen mit der Stimme, die sie abgeben, den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis nehmen können (vgl. BVerfGE 95, 335 ; 121, 266 ; 124, 1 ; 129, 300 ; 131, 316 ; 146, 327 ; stRspr).

    Bei der Verhältniswahl verlangt der Grundsatz der Wahlgleichheit darüber hinaus, dass jeder Wähler mit seiner Stimme auch den gleichen Einfluss auf die Zusammensetzung der zu wählenden Volksvertretung haben muss (vgl. BVerfGE 16, 130 ; 95, 335 ; 131, 316 ; 146, 327 ; stRspr).

    Der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl setzt demgemäß ein Wahlverfahren voraus, in dem die Wählerinnen und Wähler vor dem Wahlakt erkennen können, welche Personen sich um ein Abgeordnetenmandat bewerben und wie sich die eigene Stimmabgabe auf Erfolg oder Misserfolg der Wahlbewerber auswirkt (vgl. BVerfGE 47, 253 ; 95, 335 ; 97, 317 ; 121, 266 ).

    Auch die verfassungslegitime Zielsetzung der personalisierten Verhältniswahl, die darauf abzielt, dem Wähler im Rahmen einer Verhältniswahl die Wahl von Persönlichkeiten zu ermöglichen, stellt einen Grund dar, der zur Rechtfertigung von Eingriffen in die Gleichheit der Wahl und die Chancengleichheit der Parteien in Betracht kommt (vgl. BVerfGE 7, 63 ; 16, 130 ; 95, 335 ; 131, 316 ).

    a) Das Bundesverfassungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Bundestagswahl unbeschadet der Direktwahl der Wahlkreiskandidaten den Grundcharakter einer Verhältniswahl trägt (vgl. BVerfGE 6, 84 ; 16, 130 ; 95, 335 ; 121, 266 ; 131, 316 ).

    Der gemäß § 6 Abs. 5 und 6 BWahlG durchzuführende Verhältnisausgleich unterliegt daher uneingeschränkt den allgemeinen Anforderungen an Durchbrechungen des Gebots der Erfolgswertgleichheit im Verhältniswahlrecht (vgl. BVerfGE 1, 208 ; 6, 84 ; 95, 335 ; 131, 316 ).

    Durch die Wahl der Wahlkreiskandidaten soll annähernd die Hälfte der Abgeordneten in einer engeren persönlichen Beziehung zu ihrem Wahlkreis stehen (vgl. BVerfGE 7, 63 ; 16, 130 ; 41, 399 ; 95, 335 ; 131, 316 ).

    Dieses Ziel kann nur verwirklicht werden, wenn der erfolgreiche Kandidat sein Wahlkreismandat auch dann erhält, wenn das nach dem Proporz ermittelte Sitzkontingent der Landesliste seiner Partei zur Verrechnung nicht ausreicht (vgl. BVerfGE 95, 335 ; 131, 316 ).

    Dieses Anliegen ist hinreichend gewichtig, um die ausgleichslose Zuteilung von Überhangmandaten in begrenztem Umfang zu rechtfertigen (vgl. BVerfGE 7, 63 ; 16, 130 ; 95, 335 ; 131, 316 ).

    So trifft es zwar zu, dass die durch den Anfall von Überhangmandaten bewirkte Differenzierung des Erfolgswertes der Wählerstimmen mit einer personalisierten Verhältniswahl nicht zwangsläufig verbunden ist, weil der als Ergebnis des unvollständig durchgeführten Verhältnisausgleichs gestörte Proporz etwa durch Zuteilung von Ausgleichsmandaten wiederhergestellt werden könnte (vgl. BVerfGE 95, 335 ; 131, 316 ).

    Die Zuteilung zusätzlicher Bundestagssitze außerhalb des Proporzes darf nicht dazu führen, dass der Grundcharakter der Wahl als einer am Ergebnis der für die Parteien abgegebenen Stimmen orientierten Verhältniswahl aufgehoben wird (vgl. BVerfGE 95, 335 ; 131, 316 ).

    Fallen sie regelmäßig in größerer Zahl an, widerspricht dies der Grundentscheidung des Gesetzgebers für die personalisierte Verhältniswahl (vgl. BVerfGE 95, 335 ; 131, 316 ).

    Bei der Sicherung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Parlaments handelt es sich um einen verfassungsrechtlichen Belang von höchstem Rang (vgl. BVerfGE 95, 335 ), der dem Grunde nach der Wahlgleichheit und der Chancengleichheit der Parteien die Waage halten kann.

    Zwar ist die durch den Anfall von Überhangmandaten bewirkte Differenzierung des Erfolgswertes der Wählerstimmen mit einer personalisierten Verhältniswahl nicht zwangsläufig verbunden, weil der gestörte Proporz durch Zuteilung von Ausgleichsmandaten wiederhergestellt werden könnte (vgl. BVerfGE 95, 335 ; 131, 316 ).

    (aa) Zwar hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass die mit der Zulassung von Überhangmandaten verbundene Differenzierung der Wahlgleichheit und der Chancengleichheit der Parteien nur insoweit mit dem Grundsatz der gleichen Wahl vereinbar ist, als sie sich als notwendige Folge des besonderen Charakters der personalisierten Verhältniswahl darstellt (vgl. BVerfGE 16, 130 ; 95, 335 ).

    (cc) Zudem hat der Gesetzgeber den Anfall von Überhangmandaten bereits in der Vergangenheit hingenommen, wenn Wahlkreismandate auf die für die jeweilige Landesliste ermittelte Sitzzahl nicht angerechnet werden konnten, und sich nicht veranlasst gesehen, das Entstehen von Überhangmandaten zu neutralisieren (vgl. nur BVerfGE 95, 335 ).

    Die Erfolgswertgleichheit verlangt, dass jede gültig abgegebene Stimme bei dem anzuwendenden Rechenverfahren mit gleichem Gewicht bewertet wird und ihr ein anteilsmäßig gleicher Erfolg zukommt (vgl. BVerfGE 95, 335 ; 131, 316 ; 146, 327 ; jeweils m.w.N.).

    Dieser Effekt tritt aber auch dann auf, wenn Überhangmandate ohne Verrechnung oder Ausgleich zugeteilt werden, denn in diesem Fall erzielt jede hiervon begünstigte Landesliste eine Überrepräsentation gegenüber anderen Landeslisten (vgl. BVerfGE 95, 335 ).

    Vor diesem Hintergrund ist der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag berechtigt, aber nicht verpflichtet, föderalen Belangen Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 6, 84 ; 16, 130 ; 95, 335 ; 121, 266 m.w.N.).

    (7) Soweit unterschiedlich beurteilt wird, in welchem Umfang die Verrechnung von Listenmandaten mit Direktmandaten derselben Partei in einem anderen Land dazu beiträgt, das Anwachsen der Größe des Deutschen Bundestages zu bremsen (vgl. Pukelsheim/ Bischof, DVBl 2021, S. 417 m.w.N.; Behnke, BTAusschussdrucks 19 584 D, S. 21), kann dahinstehen, ob die mit der Verrechnung einhergehenden Beeinträchtigungen des Proporzes unter dem Gesichtspunkt der Sicherung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Parlaments (vgl. BVerfGE 95, 335 ) gerechtfertigt werden können.

    Eine Gestaltung des Wahlverfahrens, welche die Entschließungsfreiheit des Wählers in einer innerhalb des Wahlsystems vermeidbaren Weise verengt (vgl. BVerfGE 47, 253 ; 95, 335 ; 131, 316 ), ist damit ebenso unvereinbar wie ein Wahlverfahren, in dem für die Wählerinnen und Wähler vor dem Wahlakt nicht erkennbar ist, wie sich die eigene Stimmabgabe auf Erfolg oder Misserfolg der Wahlbewerberinnen und Wahlbewerber auswirken kann (vgl. BVerfGE 47, 253 ; 95, 335 ; 121, 266 ; 131, 316 ).

    d) Soweit die Senatsmehrheit darauf verweist, das Gebot hinreichender Klarheit und Bestimmtheit der Gesetze dürfe nicht dazu führen, den Gesetzgeber in seinem Spielraum bei der Auswahl des Wahlsystems einzuschränken (s.o. Rn. 153), ist zwar richtig, dass ihm gemäß Art. 38 Abs. 3 GG bei der Festlegung des Wahlsystems ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet ist (vgl. BVerfGE 3, 19 ; 59, 119 ; 95, 335 ) und er insbesondere die Wahl sowohl als Mehrheits- oder Verhältniswahl ausgestalten als auch beide Wahlsysteme miteinander verbinden kann (vgl. BVerfGE 95, 335 ; 121, 266 ).

  • VerfGH Sachsen, 25.01.2024 - 91-II-19

    Abstrakte Normenkontrolle betreffend einzelner Vorschriften aus dem Sächsischen

    Jedoch erlangt das Gebot der Normenklarheit eine eigenständige Bedeutung, soweit es sich um eine den Betroffenen belastende Maßnahme handelt, die ohne seine Kenntnis erfolgt, denn durch dieses Gebot soll insoweit sichergestellt werden, dass sich der Betroffene zumindest insoweit auf die Maßnahme einstellen und gerichtlichen Rechtsschutz suchen kann (BVerfG, Urteil vom 29. November 2023 - 2 BvF 1/21 - juris Rn. 81 m.w.N.).

    aa) Beim Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit handelt es sich um ein einheitliches Postulat, welches verschiedene Aspekte in sich vereint und einheitlich zu bewerten ist (s.o. C I 2 a; BVerfG, Urteil vom 29. November 2023 - 2 BvF 1/21 - juris Rn. 81).

    Jedoch erlangt das Gebot der Normenklarheit eine eigenständige Bedeutung, soweit es sich um eine den Betroffenen belastende Maßnahme handelt, die ohne seine Kenntnis erfolgt; denn durch dieses Gebot soll sichergestellt werden, dass sich der Betroffene zumindest insoweit auf die Maßnahme einstellen und gerichtlichen Rechtsschutz suchen kann (vgl. BVerfG, Urteil vom 29. November 2023 - 2 BvF 1/21 - juris Rn. 81 m.w.N.).

    Eine Trennung zwischen Bestimmtheits- und Klarheitsgebot dahingehend, dass eine Norm zwar noch hinreichend bestimmt sein kann, dennoch aber gegen das Gebot der Normenklarheit verstößt, kommt namentlich bei heimlichen Eingriffen des Staates in die Grundrechte der Betroffenen in Betracht, die tief in deren Privatsphäre eindringen und von ihnen weitgehend weder wahrgenommen noch angegriffen werden können (vgl. BVerfG, Urteil vom 29. November 2023 - 2 BvF 1/21 - juris Rn. 81).

  • OVG Nordrhein-Westfalen, 23.04.2024 - 15 B 373/23
    vgl. zu Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG: BVerfG, Urteile vom 29. November 2023 - 2 BvF 1/21 -, juris Rn. 160, vom 3. Juli 2008 - 2 BvC 1/07 -, juris Rn. 92 f., und vom 10. April 1997 - 2 BvF 1/95 -, juris Rn. 65 ff., sowie Beschluss vom 31. Januar 2012 - 2 BvC 3/11 -, juris Rn. 55 f.; zu Art. 78 Abs. 1 Satz 2 LV und Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG: VerfGH NRW, Urteile vom 20. Dezember 2019.
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